"Die Ankunft in Schlierbach verlief im Stil eines milden pädagogischen Realismus: Ich fuhr eine Station zu weit und landete an einem Nachbarpunkt der Karte. Glücklicherweise betrug die Entfernung weniger als zehn Kilometer, sodass man mich wenige Minuten später mit dem Auto abholte und direkt zum Ziel brachte. Die Gemeinde ist klein, und sich dort zu verirren gelingt höchstens aus akademischer Neugier oder nach einem allzu tiefen Ausflug in die umliegenden Wälder.
Der schulische Alltag war mit beinahe mathemischer Präzision organisiert. Der Unterrichtsbeginn um 7:54 wirkte wie ein dezenter Angriff auf zirkadiane Rhythmen und die strenge 8:00, während das Unterrichtsende um 15:26 eine feine Sympathie für strukturierten Zeitchaos verriet. Immerhin wird die Belastung so verteilt, dass niemand bis in den späten Nachmittag bleiben muss; die Schule schließt bereits um 15:30.
Besonders auffällig waren die 45-minütigen Unterrichtseinheiten: Nach den anderthalbstündigen deutschen Blöcken erschienen sie wie kurze Impulse. Dennoch blieb das Arbeitstempo hoch, und ich gewöhnte mich wider Erwarten an diesen ungewöhnlichen Rhythmus. Besonders hervorzuheben sind die sechs Wochenstunden, die dem selbstständigen Lernen gewidmet sind. Dieses Konzept schien eine durchdachte Möglichkeit zu sein, Schülerinnen und Schülern aller Altersstufen Raum für Erholung und Eigenorganisation zu bieten, anstatt sie in langen Pausen verharren zu lassen.
Die angebotenen Arbeitsgruppen reichten von Schach und Meditation über Elektroniklöten bis hin zum Ausführen von Hunden. Das Angebot erinnerte eher an eine universitäre Wahlfachmesse als an einen klassischen Schulbetrieb. Die Infrastruktur der Schule erzeugte einen beeindruckenden Kontrast, der sich problemlos in kulturwissenschaftliche Lehrbücher einfügen ließe.
Der Komplex besteht aus zwei Teilen: einem historischen Klostergebäude und einem modernen Neubau, der beinahe wie ein sorgfältig poliertes Fragment der Zukunft wirkt. Der Übergang zwischen beiden Bereichen fühlte sich an wie ein kurzer Zeitsprung zwischen stiller Vergangenheit und präzise konstruiertem Morgen. Insgesamt erwies sich die Zeit in Österreich als intensiv und anspruchsvoll. Fünfminütige Pausen ließen kaum Raum zum Atemholen, und die Architektur des alten Schultrakts machte das pünktliche Auffinden des Unterrichtsraums zu einer kleinen Navigationsprüfung. Die Platzierung von Klassen wie 8B neben 2A ignorierte jede intuitive Logik. Bis man den richtigen Raum auf dem Plan gefunden hat, vergehen schnell zwei Minuten.
Das Schulsystem verband Disziplin, Raum für Selbstständigkeit, ausgezeichnete Ausstattung und einen bemerkenswert hohen Anteil an Theologie, der für jemanden ohne entsprechende Vorerfahrung so ungewohnt wirkte wie bei uns politische Debatten."